Bericht Trainingsweekend Herren

*Kapitel 1: Die Abreise (die nicht meine war)**

Ich sitze hier, am alten Holztisch im Schatten meines Alltags, während draussen der Regen gegen die Scheiben hämmert. In der Ferne höre ich das Lachen meiner Nachbarn, ein Lachen, das mich heute besonders schmerzt. Es klingt wie das Echo der Freude, die ich nicht haben darf. Meine Gedanken sind nicht hier. Sie sind auf der Autobahn, im Süden, bei euch. Mario, der unermüdliche Chauffeur, hat euch alle eingesammelt, einer nach dem anderen. Ich stelle mir vor, wie er in seiner stoischen Ruhe das Steuer hält, während er freundlich nickt, wenn jemand den Bus betritt. Mario ist nicht nur ein Fahrer. Er ist ein Kapitän auf vier Rädern, ein sanfter Dirigent der Bewegung, ein Mann, dem man vertrauen kann – auch wenn der Bus keine Klimaanlage hat. Ich höre förmlich das Stöhnen in der stickigen Hitze, sehe Daniel in viel zu kurzer Trainingshose auftreten, als wäre er der jugendliche Rebell unter lauter in Jeans und Hemd gekleideten Gentlemen. Mein Neid wächst wie ein Schatten in der Dämmerung. Er streckt seine Finger nach allem aus, was ich verpasse. Ein Halt in Bellinzona – natürlich, wie könnte es anders sein? Dort, wo sich das Licht schon mediterran anfühlt und selbst das Mineralwasser nach Süden schmeckt, da stärkt ihr euch. Pasta für die Athleten, Séverin und Claudio, als wären sie antike Helden vor einem Turnier. Und Mario, dieser stille Geniesser, belohnt sich mit einer Crèmeschnitte. Ich sehe das zarte Blätterwerk, das unter seiner Gabel bricht – und in mir bricht etwas mit. Ihr kommt an, im Tennisclub Ascona. Sandplätze, von der Sonne gestreichelt, vom Wind geformt. Ich sehe euch auf dem Platz, schwitzend, lachend, kämpfend. Und da ist Fabio M., der die Eleganz des Spiels vergisst und sein Racket auf den Boden wirft, als wäre der Sand an allem schuld. Wie schön muss es sein, genug Sonne im Gesicht zu haben, um wütend sein zu dürfen. Das Training endet, und das Bier danach schmeckt euch sicher besser als jedes Wasser, das ich hier trinke. Ich stelle mir die Fahrt hinauf vor, zum Hotel Ascona, hoch über dem See. Ein Zimmerupgrade – natürlich. Alle mit Seeblick, alle mit Terrasse. Sogar das Universum scheint auf eurer Seite zu sein. Beim Apéro am Lago Maggiore streicht euch die Dämmerung übers Haar. Ich stelle mir vor, wie die Gläser klingen, wie sich der Tag in goldene Tropfen auflöst. Ich nippe an meinem Tee – es ist der falsche Geschmack. Dann das Nachtessen bei da Gina. Völlerei, sagt ihr später. Zu viel gegessen, zu viel gelacht. Tobias schweigt, weil er mit seiner neuen Liebe schreibt. Ich frage mich, ob er weiß, wie wertvoll dieser Moment ist – in der Stille, mit vollem Magen und halbem Herzen. Ein letzter Drink an der Promenade. Unnötig, meint ihr. Aber müde, zufrieden, leicht benommen fallt ihr um 23:30 in eure Betten. Ich liege wach, der Laptop vor mir, das Dokument offen. Ich schreibe. Ich schreibe, weil ich sonst nichts tun kann gegen diesen Neid, der mich auffrisst. Ihr lebt. Ich schreibe.

**Kapitel 2: Sonne über Locarno**

Der Morgen erwacht über dem Lago, und ihr mit ihm. Ich erwache auch – aber nicht mit Aussicht, sondern mit Pflichten. Und mein Neid, der streckt sich wie ein Kater im Sonnenlicht. Ihr sitzt beim Frühstück, Lachs auf dem Teller, Käse, Fleisch, goldene Brötchen. Ich stelle mir vor, wie Tobias, Mathias und selbst Mario leise neue Schuhe in einem Shop in Locarno anprobieren – die heilige Dreifaltigkeit der Vorfreude auf bessere Matches. Nur Fabio M. bleibt zurück, macht kurzerhand das Büro. Vielleicht will auch er einmal der Damian sein – der Daheimgebliebene, der mit Gewissen lebt statt mit Sonne. Ich weiß nicht, ob ich ihm das gönne. Dann das Training in Pedemonte. Ihr fahrt entlang der Maggia, durch Dörfer, die selbst auf Postkarten kitschig wirken würden. Und dann dieser Tennisplatz – daneben eine Turnhalle, so schön, so modern, dass man aus Mümliswiler Sicht nur eines sein kann: neidisch. Ich stelle mir den Moment vor, als Mathias B. mit einem Schlag das Doppel entscheidet. Und dann: die Ehrung. Player of the Day. Das Bier danach wird voller Bedeutung gewesen sein – ich trinke Wasser aus dem Hahn. Séverin triumphiert beim Yatzy-Spiel gegen Fabio M., der sich damit abfinden muss, heute nicht im Mittelpunkt zu stehen. Vielleicht ist das der Preis des Südens: Man verliert nicht nur Matches, sondern auch Würfelspiele. Am Abend das Grotto Raffael. Pepe singt, als hätte er euer Leben vertont. Brasata, Risotto, Polenta – ich zähle sie wie Wunden. Und dann diese Geburtstagsüberraschung für Fabio M., der mit jeder Stunde mehr Mittelpunkt wird. Shots im Club Seven. Drinks für 19 Franken. Völliger Wahnsinn. Aber auch: völlig egal. Ihr seid jung, frei, leicht beschwipst. Und ich? Ich bin nüchtern. Und neidisch.

**Kapitel 3: Samstag der Helden**

Wieder dieses Erwachen, dieses Licht, das ich nur aus Erzählungen kenne. Ihr lebt wie in einem Dolce-Vita-Traum, und ich schiebe Wäsche in die Maschine. Einige von euch steigen aufs Velo – Séverin, Mario, Fabio G. Ich sehe euch durch Ascona gleiten, als wärt ihr Teil einer Tour de Rêve. Andere liegen im Hotelgarten, Mathias B. schläft. Ich beneide sogar seinen Schlaf. Dann wieder Pedemonte. Besserer Platz, besseres Tennis. Séverin und Fabio M. mit einem Abschlussspiel, das Legende werden könnte – zumindest in meiner Vorstellung. Zurück ins Hotel. Entspannung am Pool. Sauna. Whirlpool. Ich lese die SMS, in der ihr schreibt: „Apéro am Lago.“ Lago. Ich möchte euch für dieses Wort schlagen. Genau bei diesem Apéro fehlt Dani F. Ich spüre seine Müdigkeit bis hierher. Vielleicht versteht er ein wenig, wie ich mich fühle. Dann Pizza im Seven Easy. Noch einmal Geburtstagskuchen für Fabio M. Noch einmal das Gefühl, dass alles ein bisschen zu viel ist – und genau richtig. Kein Schlummertrunk heute. Ihr seid gereift, drei Tage älter, zehn Jahre jünger.

**Kapitel 4: Abschied in vier Zylindern**

Letztes Erwachen im Paradies. Noch einmal frühstücken, noch einmal hinuntersehen auf den Lago, der glitzert wie euer Lächeln. Dann die Rückfahrt. Der Bus läuft nicht rund. Mario, dieser Mann, der mehr kann als die meisten, repariert ihn eigenhändig. Sicher bringt er euch zurück, in das Leben, das ich nie verlassen habe. Ihr fahrt ein, ich sitze immer noch hier. Der Regen hat aufgehört. Der Himmel ist grau. Mein Herz auch.

**Kapitel 5: Epilog eines Daheimgebliebenen**

Es war ein Wochenende voller Sonne, voller Sandplatz-Duelle, voller Pizza und Risotto, voller Shots und Schlummertrunks, Lachen und neuen Schuhen. Ich habe nichts davon erlebt. Und doch alles mitgefühlt. Ich danke Cédric D. für die Organisation. Wirklich. Auch wenn mein Neid ihm kurz die Kehle zuschnüren möchte. Wir kommen wieder, sagt ihr. Und ich hoffe, nächstes Mal bin ich wirklich dabei. Denn das Leben ist zu kurz, um nur darüber zu schreiben. Ich bin Damian. Ich war nicht dabei. Mein Team hat diese Worte verfasst - genau so, als wären sie von mir. Und sie stimmen.

 

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